Zwei Wochen geschafft!

Meine zweite Woche hier beginnt und es fühlt sich an, als wären schon Monate vergangen. Der erste Schock ist vorbei und ich habe mich glaube ich an das Gröbste gewöhnt, es kommt mir also nicht mehr komisch vor, in der Hocke unter unserem Wasserhahn auf Hüfthöhe zu duschen, jeden Abend rituell Fieber zu messen - sehr zur Belustigung meiner Gastfamilie, die meine Angst vor tropischen Fieberkrankheiten nicht nachvollziehen kann, oder auf einem Motorrad-Taxi ohne ersichtliche Verkehrsregeln zu fahren (ok, kleine Lüge, das ist schon noch komisch und wird wahrscheinlich auch so bleiben, die deutschen Regeln und Vorschriften erscheinen vielleicht übertrieben, aber hier werde ich sie lieben lernen). Was mir allerdings noch sehr komisch vorkommt, ist das Verhandeln um jeden Preis, egal, ob ich nur eine Flasche Wasser kaufe oder mit dem Matatue, also der Sammeltaxi fahre oder einfach Nahrung einkaufe. Denn egal, was ich kaufe, dank meines europäischen Aussehens wird immer davon ausgegangen, dass ich genug Geld habe, um immer den vierfachen Preis zu bezahlen. Das ist wirklich sehr anstrengend, vor allem, weil ich für meine deutschen Verhältnisse ja gar nicht so steinreich bin. Aber das ist in der Kürze der Zeit, die zum Verhandeln bleibt, meistens leider nicht erklärbar und so nehme ich die Preise meistens hin oder handle wenigstens ein bisschen vom anfänglich vorgeschlagenen Preis runter, obwohl ich weiß, dass ich, wahrscheinlich zurecht, nie den Preis der Ugander und Uganderinnen bezahlen werde. Es ist ein wirklich komisches Gefühl, dass aufgrund des Aussehens und der Hautfarbe angenommen wird, dass ich eine extrem wohlhabende Person bin, die sich nicht darum kümmert, wie viel Geld sie letztendlich ausgibt, da sie genug hat. Einer meiner Boda-Fahrer, also Motorrad-Taxi-Fahrer, war erschrocken, als ich ihm erzählt habe, dass ich gerade erst mit der Schule fertig geworden bin in Deutschland und somit kein wirklich eigenes Kapital oder Vermögen habe, obwohl ich aus einem wohlhabenden europäischen Land komme. Die Thematik beschäftigt mich hier tagtäglich und obwohl sie mich nervt, macht sie mir auch klar, dass eine Hautfarbe so viel mehr ist als ein Ton auf einem Farbspektrum. Die Beträge, über die ich mich ärgere, sind umgerechnet immer zwischen 20 Cent und einem Euro, also eigentlich nichts, was der Rede wert wäre,  aber trotzdem komme ich mir ungerecht behandelt vor. Selbst wenn ich jedem zu erklären versuche, dass nicht jeder in Europa lebende Mensch reich ist und das es bei uns auch Probleme gibt, ist die Ausgangslage in den meisten Fällen trotzdem eine komplett andere, da de Grundvoraussetzungen in den allermeisten Fällen sehr anders sind. Ich sehe mich dann oft vor ein Problem gestellt: Wenn ich den deutlich höheren Muzungu-Preis bezahle, festige ich das Bild und unterstütze die Idee, dass die Vorurteile der Menschen, das alle mit europäischem oder nordamerikanischem Aussehen in der Lage sind, alle Preise zu bezahlen, die ihnen gegeben werden. Wenn ich den Preis nicht bezahle, obwohl ich dazu in der Lage bin, unterstütze ich die Menschen vor Ort nicht so, wie ich könnte mit meinen für mich begrenzten, für sie unbegrenzten finanziellen Mitteln, obwohl sie diese Unterstützung mehr als verdient hätten. 

Da mich diese Thematik mit sehr großer Wahrscheinlichkeit während meines ganzen Aufenthaltes hier begleiten wird, hoffe ich in Zukunft darauf eine Antwort zu finden. 

Auf jeden Fall werde ich versuchen, nicht das Bild der 'weißen Retterin' zu festigen, denn das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir als weltwärts-Freiwillige versuchen zu erreichen. Mir hilft es, mir immer wieder bewusst zu machen, dass weltwärts ein Lerndienst für alle Bereiligten ist, und nicht Entwicklungshilfe der reichen europäischen Länder. 

- xx, Marlen, immer noch überfordert